Veilchengrüße von der Gartenmauer!
Alle Lenzgefühle wachen auf,
Und vereinen sich in ihrem Lauf,
Überschütten mich als Wonneschauer.
Veilchengrüße! Alle Jugendsagen,
Alle Kinderträume sind erwacht,
Haben insgesamt sich aufgemacht,
Seligkeiten vor mich herzutragen.
Ja fürwahr: Längst entschwundene Seligkeiten haben sie hergetragen diese Veilchen, hervorgestreckt aus dem dürren Gras an der Mauer. – Waren und winkten sie mir nicht ebenso vor fünfundvierzig Jahren schon, als ich an der Hand vom Opa an ihnen vorüber im Garten meiner Großeltern ging? –Doch der Opa ist schon lange gestorben, doch er ist noch da, ich fühle ja seine Nähe, vielleicht kann ich ihn nur nicht sehen weil meine Augen schwach geworden sind, oder wie von Spinnweben überzogen:
Fast ist es mir, als hätten Spinnweben
Das Fenster meines Geistes so umdüstert,
Dass ich nicht schauen kann das Liebesweben,
Das mir so traulich in die Seele flüstert;
O wäre doch die Hand mir freigegeben,
Um zu zerreißen diese Spinnweben.
Der Geist des Orts ist’s wohl, der mich umfangen
Mit seinen Liebesarmen ungesehen,
Es ist ein heiligsüß geheimes Bangen,
Wie man es fühlt im Bann von Geisternähen; –
Weg, Hände! weg von Augen und von Wangen!
Des Opas Arme sind’s, die mich umfangen.
Ich kehre mich ab von der Mauer, und siehe: Noch eine heiße, wenngleich ferne Erinnerung taucht dort auf der Gartenwiese vor mir auf. Die lenzblaue Wiesenkresse :
Lenzblau Blümlein auf der Wiese dort!
Sag mir Mägdlein das Erkennungswort,
Dass ich in mir selber möge lesen,
Ob von dir nicht schon was drin gewesen.
Wohl das war es, war als seliger Punkt
In der Kindheit süßen Wein getunkt;
Aber als die Kindheit war entwichen,
War der goldene Punkt im Glas verblichen.
Schneehügel noch da und dort, und ein kalter schneidender Nordostwind vom Friedhof herüber. Aber freudiger Sonnenschein rings auf den Feldern, und die Kinder des Dorfes spielend und sich sonnend auf der Gasse. – Und siehe: Am Straßensaume entlang sprossen und glänzen auch schon die Sonnblicke des Huflattichs. Die zu Blümlein gewordenen Goldfunken vom Hufe von Odins Rosse:
Mythos vom Huflattich
Am Straßensaume erblühen
Goldblumen von altem Ruf:
Wohl sind sie das Funkensprühen
Von einem goldenen Huf.
Herr Odin sprengte vorüber
Auf seinem Rosse lichtfahl;
Sein Blick ward trüber und trüber,
Weil noch so öde das Tal.
Wohl schien die Sonne so prächtig
Daneben auf Weges Bord,
Der Wind aber blies so mächtig
Herüber von Ost und Nord.
Er zauste des Rosses Mähne,
Der Fahle griff mächtig aus;
Herr Odin durch die Zähne
Murmelte: Wär ich zu Haus!
Doch wo an den scharfen Steinen
Goldfunken schlug sein Hengst,
Sind hier an den Straßenrainen
Zu Blümlein ersprosst sie längst.
Er lenkte ihn nach den Gräben,
Ließ gehen ihn auf weichem Grund;
Drum also wachsen daneben
Huflattichs Blätter im Rund.