
Drei Kugeln Eis, kurze Hose oder knappes Kleid und abends ein Stündchen länger im Garten, auf dem Balkon oder im Park sitzen: So lässt sich’s leben! Der Sommer macht alles leicht und unbeschwert. Kaum knippst man aber Radio, Fernseher oder Internet an: Wusch!, ist die Leichtigkeit verflogen. Wer glaubte, nach den zähen Monaten des Lockdowns kehre nun die Normalität zurück, landet in diesen Tagen auf dem harten Boden der Tatsachen.
Urlaubspläne zerrinnen wie Eis in der Sonne. Für fast ganz Spanien gilt nun wieder eine Reisewarnung, Malle inklusive. Ryanair streicht seinen Flugplan zusammen. Italien schließt alle Discos und Strandclubs. Die Behörden in Paris erwägen, eine Maskenpflicht in der gesamten Stadt zu verhängen. Österreich verschärft wieder die Einreisekontrollen.
Zwar glänzt draußen noch der Hochsommer, doch nach den Maßstäben der Pandemie hat der Herbst längst begonnen. Auch die Politik wappnet sich dafür. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) wollen das Kurzarbeitergeld vorsorglich auf zwei Jahre verlängern. In der Regierung scheint niemand mehr mit einem baldigen Ende der Pandemie zu rechnen, im Gegenteil: Selbst wenn irgendwann (im Frühjahr? Im Sommer 2021? Noch später?) Impfstoffe in ausreichenden Dosen für alle Bürger vorliegen sollten, werden uns die Folgen der Krise noch monate-, womöglich jahrelang beschäftigen. Gut 6,7 Millionen Kurzarbeiter hat die Bundesagentur für Arbeit zuletzt gezählt und dafür schon fast acht Milliarden Euro ausgegeben; ihre Rücklagen in Höhe von 26 Milliarden Euro dürften bis Ende des Jahres komplett aufgebraucht sein. Und dann? Muss der Staat wohl noch mehr Schulden machen. Sommerliche Leichtigkeit? Wusch!
In Zwischenzeiten wie diesen, wenn eine harte Phase vorbei ist und eine weitere womöglich bevorsteht, sind ein kühler Kopf und Umsicht keine schlechte Idee. Sicher: Das Gesundheitsrisiko durch das Coronavirus nimmt wieder zu – aber es ist in Deutschland beherrschbar. Rund 12.900 aktive Infektionsfälle gibt es derzeit, die Zahl der täglichen Todesopfer lässt sich meist an einer Hand abzählen. Jeder Einzelne ist tragisch, aber die Krankenhäuser sind nirgendwo überlastet. "Ich bin sehr dafür, dass wir wachsam und aufmerksam sind, ernsthaft, aber auch nicht in Endzeitstimmung", sagt Minister Spahn. Wer diesen Satz weiterdenkt, der schaut nicht nur auf die gesundheitlichen Folgen der Krise, sondern auch auf die wirtschaftlichen. Zigtausende Menschen sind durch die Corona-Beschränkungen in existenzielle Not gestürzt worden: Gastronomen, Einzelhändler, Künstler, Schausteller, Freiberufler und viele mehr. Es ist das eine, diese nüchterne Information zu lesen. Es ist etwas anderes, die Schicksale von Betroffenen zu hören. Eine Tagesanbruch-Lesern aus Nordrhein-Westfalen, die als Selbständige in der Medienbranche arbeitet, schreibt:
"Seit mehr als 20 Wochen haben mein Mann und ich weder Aufträge noch Einnahmen, wir leben von Rücklagen. Die Soforthilfe der Landesregierung ist aufgebraucht, und möglicherweise müssen wir sie zurückzahlen. Wir können noch ein paar Monate durchhalten, dann ist Schluss. Dann können wir unsere Miete nicht mehr zahlen oder müssen die Altersvorsorge oder die Krankenversicherung aussetzen. Wir haben von der Regierung praktisch ein Berufsverbot auferlegt bekommen, wir bleiben auf der Strecke. Gleichzeitig bekommen riesige Konzerne Milliardenzuschüsse. Sollte man nicht annehmen, dass ein Unternehmen wie die Lufthansa so wirtschaften kann, dass auch sie Rücklagen für ein Jahr haben? Auch ich gehöre zu den Leuten, die sagen: Die Maßnahmen vernichten mehr Leben als das Virus selbst. Ich sehe ja den Sinn (einiger) der Maßnahmen ein. Sie helfen. Aber was habe ich davon, wenn ich nächstes Jahr zwar noch lebe, aber kein Leben mehr habe, sondern obdachlos und mittellos auf der Straße sitze? Mein Mann und ich haben 20 Jahre lang vorausschauend gewirtschaftet, nie über unsere Verhältnisse gelebt, unsere Altersversorgung, unsere Gesundheit und unsere Berufsunfähigkeit abgesichert. Eigentlich haben wir alles richtig gemacht. Aber jetzt haben wir Existenzangst. Zusammenhalt in der Gesellschaft kann doch auch bedeuten, dass die, die in Deutschland viel haben, denen in Deutschland helfen, die wegen der Corona-Maßnahmen alles zu verlieren drohen."
Eine Stimme, eine Meinung.
Keine Frage: Der Schutz der Gesundheit ist unerlässlich. Aber wer sich halbwegs sicher fühlt (und das kann man an den meisten Orten in unserem Land), der mag vielleicht auch den einen oder anderen Gedanken jenen widmen, die noch ganz andere Sorgen haben. Und ihnen vielleicht sogar ein bisschen unter die Arme greifen: in der Nachbarschaft, im Freundeskreis oder im Internet.
Aber nicht über die eigene Belastbarkeit hinaus denn auch Helfer können an ihre Grenzen stossen (grins):

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Ronald (Sonntag, 23 August 2020 15:27)
zu den newslettern Juli/August :
es gibt viele gute Denkansätze und Schlussfolgerungen bei dem Thema Cora/Regierung und deren Maßnahmen. Nicht zu vergessen ist aber, es gab und gibt keine Blaupause für eine derartige Pandemie.
Vorrang hatte die Schnelligkeit für den Schutz der Bevölkerung! Dass hierbei manche Bundesländer das Glück hatten, weniger betroffen zu sein wegen spärlicher Industriealisierung oder demogrphischen Einflüssen darf jetzt nicht den Blick auf´`s große Ganze verstellen. z.B. in Sachsen-Anhalt mehr zu lockern wäre ja gut wenn die Politik es verantwortet.
Ich wäre auch dafür, Reiserückkehrer aus Risikogebieten mit den Testkosten zu belasten, allerdings dann mit der Gefahr andere Bürger anzustecken, weil man sich die Kosten sparen will.
Wenn Reisen in Risikogebiete verboten werden, kommen bestimmt wieder Leute wie die "Querdenker" und sehen die Demokratie und Freiheit gefährdet.
Die Unterstützung von Arbeitnehmern mit Kurzarbeitergeld bezieht sich auf die Anmeldungen der Arbeitgeber beim BA wird aber nicht für 6,7 Mio lange anfallen. Hier im Südwesten wird schon wieder bei vielen Betrieben ohne Inanspruchnahme gearbeitet. Dass der Topf bei voller Entnahme nicht lange reicht ist ja klar, aber schließlich arbeiten noch viele Millionen weiter und zahlen ein.
Die Unerstützungen für Groß-und Mittel/Kleinbetriebe sind differenziert zu sehen da z.B. die LH oder TUI nur Kredite bzw. Staatsbeteiligungen warnehmen. Andere jedoch echte Hilfen (ohne Rückzahlung) und günstige Kredite bei der KfW.
Die Event/Gastro/Kultur-Szene ist richtigerweise am stärksten betroffen. Hier gibt es aber auch
schon Lösungsansätze z.B. den Veranstaltungsversuch mit Testpersonen in Leipzig mit einer Auswertung bis September . Dann könnte es unter Auflagen wieder mehr Kulturelles geben.
Große Volksfeste werden zur Zeit schon dezentral in den Städten angeboten um den Schaustellern zu helfen. Die Gastronomie kann zur Zeit schon kostenlos zusätzliche Außenbereiche bewirtschaften und bekommt fürdie kalte Jahreszeit Heizpilze genehmigt. Preisgünstige Klimageräte mit Hepafiltern gibt es schon für die Lokale. Es wird also auf allen Ebenen viel getan ! Wenn jetzt noch die selektiven Coronamaßnahmen zur Ausführung kommen "werde ich wegen Corona Nachts nicht mehr um den Schlaf gebracht" !! Man kann ja auch selbst viel tun und hoffen dass die "Covidioten" nicht zu viele werden und uns mit ihrer Verweigerung nicht krank machen..
Wolzow vom Wolfsfelsen (Freitag, 30 Oktober 2020 12:47)
Aber wie wir leider sehen wird nun nicht selectiert und für die Gastronomie und Kultur sind leider wieder weitere Ruine zu befürchten. Daher bin ich immer mehr um den Schlaf gebracht und das wird wohl noch so gehen bis der Impfstoff da und für breite Massen verfügbar ist; denn leider befürchte ich das a) auch dieser Lockdown die Ausbreitung nicht sehr bremsen wird da Schulen und Kitas offenbleiben (so sehr das den Eltern hilft) und die akzeptanz in einigen Teilen der Bevölkerung so weit geschwunden ist das gar nichts mehr eingehalten wird und dadurch b) er im Dezember wohl verlängert werden wird und es da zumindest in "Problemstädten" wie Berlin und Stuttgart zu souialen Unruhen kommen könnte...