Memories:Magdeburg 19.02.2020

1514 wurde der Magdeburger Albrecht von Brandenburg zum Erzbischof von Mainz und damit zum Kurfürsten ernannt. Diese Ämter musste er sich teuer beim Papst erkaufen. Für die Zahlung dieser Summe hatte er einen Kredit aufgenommen, den er über Einnahmen aus dem Ablasshandel zu decken versuchte. Der Subkommissar Johann Tetzel verkaufte daraufhin im Auftrag des Erzbischofs Ablässe mit der Zusicherung des Nachlasses von Sündenstrafen gegen Geld. Luther predigte vergeblich gegen diese Geschäftemacherei, woraufhin er vermutlich am 31. Oktober 1517 mit dem Anschlag der 95 Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg zu einer akademischen Disputation aufrief.

 

 

Der Prior des Augustinerklosters Johannes Vogt oder Johann von Isleben hat nach dem Thesenanschlag von Luther, als erster die provokanten Gedanken Luthers in Magdeburg von Kanzel wie Katheder verkündet. Vorher wurde der junge Luther von dem Augustiner Generalvikar Johannes von Staupitz auf eine Visitationsreise durch die Ordensprovinz geschickt, in der er auch das Augustinerkloster in Magdeburg aufsuchte und den Prior kennenlernte.

 

 

Folglich kam es zum Konflikt mit Rom, wobei Martin Luther vom Papst gebannt und vom Kaiser auf dem Reichstag zu Worms 1521 geächtet wurde. In dieser für Luther bedrohlichen Zeit fand er Zuflucht in der Wartburg und fand als Junker Jörg Schutz. Noch während Luther auf der Wartburg weilte, gingen praktische Reformen in Lehre und Leben der Gemeinden in Wittenberg und zahlreichen deutschen Gebieten zügig voran. Daraufhin führten einige Territorien eine Reformation durch, andere hielten am alten Glauben fest.

 

 

Im Mai 1524 wurde dann ein Tuchmachergeselle aus Wittenberg am Alten Markt festgenommen, weil er Luthers Lied „Aus tiefer Not schrei ich zu dir, Herrgott erhör mein Rufen“ singt und den Neugierigen von den Augustinermönchen Johann van Esch und Heinrich Voes erzählt, die 1523 ihren Glauben an Luther nicht lossagen wollten und somit auf dem Brüsseler Marktplatz verbrannt worden sind. Dieses Ereignis spitzte sich so zu, dass künftig nur noch das reine Evangelium gepredigt werden sollte. Wenig später trafen sich die evangelischen Prediger und ihre Vertrauensmänner im Kloster St. Augustini und beschlossen ein Zehnpunkteprogramm, das später an den Kardinal Albrecht gegeben wurde. Aber es kam zu keinem Entscheid, woraufhin Luther zur Hilfe gebeten wurde. Es ging um die Beantwortung von alltäglichen Fragen, für die eine einheitliche Leseart geschaffen werden muss.

 

 

 

Am 26. Juni 1524 folgte dann der Durchbruch der Reformation in der Johanniskirche. Auf Bitten des damaligen Bürgermeisters Nicolaus Sturm predigte Luther dort von der „wahren und falschen Gerechtigkeit“. Tausende Magdeburger versammelten sich an der Kirche. In Folge seiner Predigt, machte sich die Forderung der evangelischen und katholischen Geistlichen der Altstadt breit, das Wort Gottes lauter und rein zu predigen (lutherisch). Am 5. Und 6. Juli unterhandeln Lutheraner mit dem Probst des Klosters „Unser Lieben Frauen“ (Heinrich Stott), dem die Altstadtkirchen unterstehen, den neuen Glauben aufzunehmen. Dieser weigert sich und die Einigung scheiterte. So bestimmten schließlich die evangelisch gesinnten Magdeburger den 17. Juli als Tag der Einführung des neuen Glaubens. Bis zum 28. Juli 1524 waren sämtliche altstädtischen Kirchen mit evangelischen Pfarrern besetzt und Luthers Glaube verbreitete sich rasant in Magdeburg.

 

 

 

Heute ist die Johanniskirche ein Gedenkort für das Wirken des Reformators. Im Jahre 1886 wurde das Lutherdenkmal vor dem Hauptportal der Kirche errichtet. In seiner Gestik nimmt es Bezug auf seine Predigt in der überfüllten Johanniskirche. Das Denkmal besteht aus einem achtseitigen Postament aus dunkelroten, schwedischen Granit, dunkelgrünem Syenit und Bronze, einem Sockel aus dunkelgrünem Syenit, einem Bronzeprofil und einem Schaft aus dunkelrotem, polierten Granit. Die vordere Seite des Schaftes ist mit der Inschrift „Gottes Wort in Ewigkeit“ versehen und auf der Rückseite ist der 10. November 1883 datiert, der Tag des 400. Geburtstages Luthers.

 

"Es kann nicht immer Harzer Wandernadel sein" dachte ich mir, und so beschlossen Elisa vom Seidenberge und ich diesen grau-stürmischen Tag (der sich insofern nicht von den restlichen des Februar 2020 unterschied) in Magedburg zu verbringen, Hauptziel sollte die Johanniskirche sein, von der ich zuletzt 2011 in den Medien gehört hatte.

Am 28./29. September 2011 hatten unbekannte Täter zwei der neben der Kirche zur Besichtigung stehenden bis zu einer Tonne schweren Kirchenglocken bereits zum geplanten Abtransport bis an die Straßenkante gehievt, waren dann aber offenbar gestört worden und unverrichteter Dinge geflüchtet. Alle fünf Glocken wurden vorsichtshalber von der Stadt sicher eingelagert.

 

Ende April 2012 kehrten die 5 Kirchenglocken zur Kirche mit "Schutzschild" zurück. Für jedes einzelne der historischen Schaustücke wurde ein Betonfundament gegossen sowie eine Diebstahlsicherung gefertigt.

 

941 erstmals erwähnt als ecclesia plebeia (Volkskirche) und 1015 erstmals in Deutschland mit der Bezeichnung ecclesia mercatorum als eine Kaufmannskirche benannt, wurde sie in ihrer Geschichte immer wieder zerstört und wieder aufgebaut:

 

1188 erfolgt nach dem Stadtbrand der Wiederaufbau der Johanniskirche als kreuzförmige dreischiffige Basilika.

 

Am Karfreitag 1207 brennt die Kirche beim großen Stadtbrand erneut nieder.

 

1293 werden wiederrum wegen eines Großbrandes Bauarbeiten notwendig.

 

Am 22. Juli 1451 schlägt ein Blitz in den Nordturm ein. Turm, Dach sowie ein Drittel des Langhauses fallen dem Feuer zum Opfer.

 

Am 10. Mai 1631 erstürmen die Truppen der katholischen Liga unter Feldmarschall Tzerklas von Tilly Magdeburg. Mit der Stadt fällt auch die Johanniskirche in Schutt und Asche. Von ca. 30.000 Einwohnern werden über 20.000 getötet. Etwa 500 Magdeburger bleiben in der Stadt.

 

1641 beginnt die Enttrümmerung und ein langwährender Wiederaufbau.

 

 

 

Am 26. Juni 1924 kommt die "Trauernde" als Leihgabe des Museums in die Westvorhalle anläßlich der 400-Jahr-Feier von Luthers Predigt im Jahr 1524.

 

Am 28. September 1944 und am 16. Januar 1945 wird die Kirche bei den großen alliierten Luftangriffen gänzlich zerstört.

 

Die Bronzeskulptur "Trauernde Magdeburg" hatte in dem bis auf die Türme und die Grundmauern des Kirchenschiffs zerstörten Kirchenbau gestanden und blieb - wie ein Wunder - als einziges Kunstwerk unversehrt, so, als müsse sie weiter mahnen. Nach dem Krieg fristete die Figur, wegen der Aufräumarbeiten zunächst zurück im Museum, auf dem Hof unter freiem Himmel zwischen Kohlebergen und Holzkisten eingepfercht, ein tristes Dasein. Beinahe 45 Jahre - bis die Proteste der Magdeburger zu Beginn der 1980er Jahre dafür sorgen, dass sie 1989 restauriert wird und 1990 an ihren Platz in der Vorhalle der Johanniskirche zurückkehrt:

 

Die Bronzetür mit den beiden dazugehörigen solitären Plastiken „Krieg“ und „Frieden“ stammen von dem Magdeburger Bildhauer Heinrich Apel und wollen an die Zerstörungen Magdeburgs 1631 und 1945 erinnern. Tür und Plastiken wurden am 10. Mai 1983 der Öffentlichkeit übergeben:

 

Allerdings betritt man die Kirche als Besucher nicht mehr dadurch, sondern durch einen Seiteneingang.

 

In der Johanniskirche wurden Otto von Guericke, seine erste Frau, sein Sohn und dessen erste Frau in der Gruft an der Nordseite beigesetzt. Otto von Guericke (1602-1686) gilt als der Vater der deutschen Experimentalphysik, wies die Existenz des Vakuums nach und erfand u. a. die Luftpumpe. Er war Bürgermeister von Magdeburg und vertrat die Stadt bei den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden. Erhalten sind die beiden von Guericke gestifteten und von dem Bildhauer Tobias Wilhelmi 1674 gefertigten Wappen der Familie von Guericke und der Alten Stadt Magdeburg. 1890 wird die Gruft geräumt, um einen Heizungskeller einbauen zu können. Es gibt leider keinen Hinweis auf den Verbleib der Särge.

 

Inkompetenz ist also kein Privileg unserer Zeit….

 

 

 

Aufgrund des Wetters und Wochenmitte waren wir wohl die einzigen Besucher am Vormittag; dies konnte mich jedoch nicht davon abhalten, zur Aussichtsplattform in 52 m Höhe auf dem Südturm hinaufzukraxeln. Elisa konnte ich aber nicht dazu überreden und es war auch für mich schon eine Herausforderung:

 

FAST oben...

Oben erwarteten mich Sturmböen die ohne schützende Geländer mich hätten über die Stadt fliegen lassen, peitschender Nieselregen und grauer Himmel, aber ich hatte es geschafft:

Blick zum Markt

Blick zum "Kloster unsrer lieben Frauen"

Blick hinüber zum Nordturm, auf den man leider als Besucher nicht kann

Blick hinüber zum Dom

Alles in allem war ich dann aber auch wieder froh unten zu sein. Wir stiegen dann noch zusammen hinunter in die Krypta und sahen uns den heute als Veranstaltungssaal genutzten Altarraum an der leider deswegen auch keinen Altar mehr hat.

 

Danach bummelten wir noch gemeinsam durch Geschäfte und ich konnte Elisa endlich zu einem Essen einladen, bei dem sie die Indische Küche kennen und schätzen lernte. Dann trennten sich unsere Wege, sie fuhr weiter gen Norden und mit ihr leider auch der letzte Rest Sonne am Himmel dennoch wollte ich noch ein wenig am Schleinufer–Promenade der Völkerfreundschaft–Elbuferpromenade entlang flanieren und begann hinter der Kirche:

 

Keine Gäste hier bei dem scheusslichen Wetter und deswegen machte das Flanieren zudem nun allein nicht wirklich Freude so schoss ich noch ein Foto....

....brach dann ab und eilte zum Bahnhof...

 

Daheim im Internet sah ich dann wie der Blick von oben bei schönem Wetter ausgesehen hätte:

Nun vielleicht ein andermal. Bei dem immer gleich grauem Sturmwetter der letzten Wochen war das auch der einzige Ausflug überhaupt, und langsam fällt mir hier wirklich die Decke auf den Kopf - doch das ist eine andere Geschichte..

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