Sherwood Forest. Robin Hood der Held, der den Reichen ihr Geld abnimmt und es unter den Armen und Geknechteten verteilt. Mit seiner Bande Geächteter, zu der auch der fröhliche Mönch Bruder Tuck und seine große Liebe Marian gehören, versteckt er sich tief im Sherwood Forest und kämpft von dort aus nicht nur gegen den bösen Sheriff von Nottingham und die verhassten normannischen Besatzer, sondern auch für seinen König Richard Löwenherz und somit für sein geliebtes England. So kennen wir Robin Hood. Und so erzählt es auch wieder der aktuellste Film "Robin Hood", der 2019 in die Kinos kam so erzählten es die Filme vorher.
Unzählige Adaptionen der Robin Hood-Geschichte gibt es. 2009 spielte Russell Crowe den Helden in Strumpfhose. Lady Marian Loxley wurde von Cate Blanchett dargestellt. Regie führte Ridley Scott:

Alles Quatsch - denn nichts davon wird in den alten Balladen erwähnt. Es kommt sogar noch schlimmer: Der Harvard-Professor Francis James Child meinte schon im 19. Jahrhundert, dass Robin Hood nie gelebt hätte: "Er ist ganz und gar eine Erfindung der Balladen-Muse." Kann das wirklich sein, ist alles pure Fantasie? Historiker und Literaturwissenschaftler hatten sich die ältesten Erzählungen über Robin Hood vorgenommen, die bis heute erhalten sind. Nur noch in Fragmenten gibt es die Ballade "Robin Hood and the Monk" ("Robin Hood und der Mönch"). Die älteste vollständig erhaltene Erzählung "Robin Hood and the Potter" ("Robin Hood und der Töpfer") wurde gegen 1500 schriftlich fixiert.
Die Schriftexperten gehen aber davon aus, dass diese Textfassungen sich auf noch weitaus ältere Quellen stützen. Und in der Tat: In alten englischen Steuerunterlagen aus dem Jahr 1225 findet sich der Eintrag "Rob. Hod. fug.", was so viel bedeutet wie "Rob. Hod. flüchtig". Also doch ein Indiz, dass es eine historische Person mit dem Namen Robin oder Robert Hod, also Hood, wirklich gegeben hat?
Das Problem: Robert und Robin ist einer der häufigsten Namen im mittelalterlichen England. Zum anderen ist "Robin Hood" in den unterschiedlichsten Schreibweisen zu dieser Zeit geradezu ein Synonym für den "Gesetzesbrecher" an sich. Kein Wunder also, dass der Name gleich Dutzendfach in verschiedenen zeitgenössischen Schriftstücken auftaucht.
Vielversprechender sind da schon einige Hinweise in der "Geschichte von Robyn Hode" ("A Gest of Robyn Hode"), zwischen 1500 und 1510 in Antwerpen gedruckt, dann auch in England verkauft. Doch auch diese Balladen stützen sich auf ältere Quellen: Hier wird ganz explizit "König Edward" erwähnt - allerdings leider nicht näher bestimmt, um welchen der Monarchen es sich handelt.
Experten gehen davon aus, dass nur die Regierungszeiten von König Edward I., Edward II. und Edward III. in Betracht kommen können, also die Zeitspanne von 1272 bis 1377. Der historische Robin Hood wäre demnach also in dieser Zeit anzusiedeln. König Richard Löwenherz, den wir heute meist mit der Geschichte verbinden, regierte England allerdings schon sehr viel früher, nämlich 1189 bis 1199.
Dennoch ist diese falsche Verbindung zu Richard Löwenherz schon relativ alt: Bereits der Historiker John Major erwähnt sie 1521 in seiner "Historia majoris Britanniae". So bekommt die Robin-Hood-Geschichte aber auch ganz neue Komponenten hinzugefügt, die bis heute dominierend sind. Der historische Richard Löwenherz geriet nämlich in die Gefangenschaft des Stauferkaisers Heinrich VI., der ein immens hohes Lösegeld für die Freilassung forderte. Richards Mutter, Eleonore von Aquitanien, war bemüht, die Forderungen schnellstmöglich zu erfüllen, und plünderte darum halb England aus. Das ganze Land wurde in eine ernsthafte Finanzkrise gestürzt, die schwere Unruhen nach sich zog.

Robin Hood (mit Pfeil und Bogen) in einer zeitgenössischen Darstellung.
An genau dieser Stelle kommt nun Robin Hood wieder ins Spiel, der heute für seine Art der sozialen Umverteilung berühmt ist: Er beraubt die gierigen Reichen und verteilt das Diebesgut unter den Armen und Ausgebeuteten. Mehr noch: Als der König außer Landes ist, ob nun auf Kreuzzug oder in Gefangenschaft, weist niemand mehr den Sheriff von Nottingham oder die als Besatzer empfundenen Normannen in Grenzen, was nun der heldenhafte Robin Hood mit seinen Geächteten übernehmen kann und dafür später vom zurückgekehrten König trotz seiner Verbrechen begnadigt wird - davon handelt die Geschichte heutzutage.
Gerade eben weil diese Begnadigung, die auch in den alten Texten erwähnt wird, nicht von Richard Löwenherz, sondern von König Edward vorgenommen wird, rückt eine andere historische Person in den Fokus der Suche nach dem echten Robin Hood: Robert Hood, der in den Schriftzeugnissen von 1315/16, die als "Wakefield Court Rolls" bekannt sind, erwähnt wird. Der britische Antiquar Joseph Hunter ist sich dann auch sicher: "Robert Hood, alias Robyn Hode, ist der historische Robin Hood".
Als gesetzloser Robyn Hode beteiligte er sich zusammen mit dem Earl of Lancaster an einer Rebellion gegen den König im Jahr 1322. Edward II. begnadigte ihn aber 1323 und stellte ihn sogar in seine Dienste. Beides wird in den Texten erwähnt, was für Hunters Theorie spricht. Allerdings ist der Name Robert Hood in unterschiedlichen Schreibweisen zu dieser Zeit, wie gesagt, sehr häufig, und so könnte es sich hier auch nur um eine zufällige Namensgleichheit handeln, meinen Kritiker.
Mit Sicherheit ausschließen kann die Wissenschaft heute allerdings, dass Robins große Liebe, die Maid Marian, und auch einer seiner treuesten Wegbegleiter, der fröhliche Mönch Bruder Tuck, von Anfang an mit dabei waren. Beide Charaktere werden in den frühen Texten nicht erwähnt und könnten auf alte französische Quellen beziehungsweise Figuren des volkstümlichen Tanztheaters anlässlich der traditionellen englischen Maifeste zurückgehen.
Rätsel gibt der Forschung hingegen bis heute das legendäre Versteck der Gesetzlosen im tiefen Wald auf. In den frühen Texten ist sowohl von Sherwood als auch von Barnsdale die Rede. Als Versteck eignete sich allerdings der 50 Meilen vom Sherwood Forest entfernte Wald von Barnsdale sehr viel besser. Hier waren nämlich zur Zeit Robin Hoods keinerlei Patrouillen von Förstern zu befürchten, denn dieser Wald stand im Gegensatz zum Sherwood Forest damals nicht unter königlicher Obhut. Barnsdale Forest war zudem dunkel, dicht und undurchdringlich. Hier konnte der Spur Robin Hoods niemand folgen.
Britische Archäologen und Historiker sind vor über zehn Jahren auf eine andere Spur gestoßen, die ebenfalls von Sherwood Forest wegführt. In einem Dorf nahe der Stadt Sheffield haben sie die Ruinen eines kleinen Familienschlosses ausgegraben, in dem der sagenumwobene Kämpfer gewohnt haben soll. Er sei demnach der Sohn eines englischen Edelmanns gewesen, der gegen die normannischen Herrscher gekämpft habe.
Wenn das stimmt, lag das Einsatzgebiet des grünen Bogenschützen gar nicht im Wald rings um Nottingham, sondern in der nördlichen Nachbargrafschaft Yorkshire. Die Fundamente, die in dem Dorf Bolsterstone ausgegraben wurden, liegen 85 Kilometer vom legendären Sherwood Forest entfernt. Indes: Reste von Flitzbögen, Pfeilspitzen oder Hutfedern wurden nicht gefunden. Robin Hood bleibt ein Rätsel.
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