Volkstrauertag? Das Volk trauert nicht. Es bleibt zu Hause.

Nur für die Politiker und Politikerinnen in den Stadtteilen, den Dörfern bis hin zum Bundestag sind die Rituale am Volkstrauertag eine Pflichtübung, ebenso für die Abordnungen von Bundeswehr, Feuerwehr und bisweilen Schulklassen. Fast immer sind Pastorinnen und Pastoren beteiligt, mit einem Gottesdienst oder mit einer Rede am örtlichen Kriegerdenkmal, das den Söhnen und Helden gewidmet ist, die ihr „Leben zum Opfer“ gaben. Nicht fehlen darf bei diesem Ritual die Melodie des Liedes vom „Guten Kameraden“, das schon in der Wehrmacht sehr beliebt war. Und alle legen ihre Kränze ab – eine mehr als problematische Tradition, können sie doch in diesem Zusammenhang nur an die Lorbeerkränze erinnern, mit denen Helden für erfolgreiche Kämpfe, also solche mit vielen getöteten Feinden, dekoriert wurden.

 

Rechte Kameradschaften und soldatische Traditionsvereine, die früher Ton und Inhalt am Volkstrauertag bestimmten, tauchen derzeit eher abseits der offiziellen Gedenkfeiern auf, um das Heldentum deutscher Soldaten zu beschwören. Aber man täusche sich nicht: Zum letztjährigen Volkstrauertag zog ein gutes Dutzend Mitglieder der rechtsnationalen Landsmannschaft Mecklenburgia am helllichten Tage zur Kranzniederlegung neben den Kriegsklotz am Hamburger Dammtorbahnhof, neben dem sich seit einigen Jahren ein Denkmal für Deserteure befindet.

 

Die jungen und alten Akademiker ließen sich dabei leiten von der Huldigung eines Medizin-Professors und Oberst-Arztes der Reserve für die Wehrmacht und den „beispiellosen Opfergang von Millionen deutscher Soldaten“ vor Stalingrad. Konsequent diffamiert er die Würdigung von Deserteuren als „abstruse Geistesverirrung“.

 

Das liegt ganz auf der Linie von AfD-Vize Alexander Gauland mit seiner Forderung, wieder „stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“. Wenn dieser Mann, der den Tod von Millionen Menschen als „Leistung“ würdigt, immer noch in Talkshows eingeladen wird, steht Schlimmeres zu befürchten.

 

Wie aber sieht es bei den traditionellen Feiern in der Mitte der Gesellschaft am Volkstrauertag aus? Nein, vaterländische Reden wie noch in den 50er oder 60er Jahren, in denen die Kriegsniederlage mehr betrauert wurde als die Opfer der Kriege, sind kaum noch zu hören. Es wird zum Frieden „gemahnt“. Seit nicht mehr verdrängt werden kann, dass in den beiden Weltkriegen nicht nur deutsche Soldaten starben, sondern vor allem Millionen Zivilisten in den überfallenen Ländern, werden auch diese als „Opfer von Gewalt und Krieg“ in die Ehrung einbezogen. In dem vom Bundespräsidenten 2018 vorgegebenen Totengedenken wird zudem derer gedacht, „die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden“. Es ist bemerkenswert, dass vermieden wird, die hier gemeinten jüdischen Menschen und die Sinti und Roma konkret zu nennen.

 

Viel schwerer aber wiegt die gleichmachende Aneinanderreihung von Tätern und Opfern unter dem Label „Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“. Das widerspricht allen historischen Erkenntnissen, die sich 1997 sogar der Bundestag zu eigen machte: „Der Zweite Weltkrieg war ein Angriffs- und Vernichtungskrieg, ein vom nationalsozialistischen Deutschland verschuldetes Verbrechen.“ Die an diesem Vernichtungskrieg beteiligten Soldaten in einem Atemzug zu nennen mit ihren Opfern, kommt einer nachträglichen Verhöhnung gleich. Und kommt denen entgegen, die eine Kehrtwende in der Erinnerungspolitik fordern.

 

Das ist von denen, die am Sonntag das Totengedenken vortragen, natürlich nicht beabsichtigt und nicht so gemeint. Aber es wird so gesagt. Und es wird praktiziert, wenn zum Volkstrauertag auf dem Ohlsdorfer Friedhof Kränze abgelegt werden, für ermordete Juden ebenso wie für Soldaten, in deren Gräberbereich auch hingerichtete Deserteure, KZ-Häftlinge und Kinder von Zwangsarbeiterinnen bestattet wurden.

 

Um einer geläufigen Missdeutung vorzubeugen: Auch wenn sie an einem Kriegsverbrechen beteiligt waren, halte ich die meisten Soldaten nicht für Verbrecher. Viele waren nie stolz darauf gewesen, in der Wehrmacht zu dienen. Und wollten gewiss keine Helden sein.

 

Es gab zu viele. Sie hatten Ehefrauen, Eltern und oft Kinder. Wie sollten sie mit dieser persönlichen Katastrophe leben? Wo sollte ihre Trauer um den Mann, um den Sohn, um den Vater, also den geliebten und geachteten Menschen ohne Uniform, Raum und Zeit finden? Diese Trauer kann und darf nicht kollektiviert und wieder uniformiert werden.

 

Also: Lasst die falschen Rituale eines staatlich vorgegebenen Volkstrauertages. Notwendig wäre ein Tag, an dem über Ursachen und Wirkungen der beiden Weltkriege nachgedacht und debattiert wird. Privat in den Familien und Freundeskreisen und öffentlich in Rathäusern, Kirchen und – ja, auch da: Kasernen. Leitlinie könnte sein, zu verhindern, dass um deutscher Handels- und anderer Interessen wegen wieder Kriegseinsätze geplant und damit Wege für neue Kriege bereitet werden. Für einen solchen gesellschaftlichen Bildungstag wird noch ein einprägsamer Begriff gesucht.

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Ronald (Sonntag, 17 November 2019 12:23)

    Das Fazit aus den niedergeschriebenen Reflektion bringt es auf den Punkt !!

    Man müsste jedoch ein Gutmensch sein, um an diese Gestaltung eines solchen wirklichen
    Volks- T r a u e r - tages zu glauben

  • #2

    toranes (Dienstag, 19 November 2019 15:34)

    ja schöne und intelligente worte und woher kommt des hass auf dieser welt und der neid den meisten geht es gut und können nicht klagen aber klagen und dann einen krieg zu verherrlichen, all was dazu gehört es ist so traurig ich werde meine pazifistische einstellung wegen verwirrter seelen nicht ändern und wenn all diese einen einzigen kriegstag , - stunden erleben müßten würden sie jammern wie alte waschweiber