Dienstag, 30. Juni 2009: Uri Geller

Heute nacht sah ich mal wieder auf KIKA "Bernd das Brot", unter anderem mit der herrlichen Parodie von Uri Geller.
Pro 7 suchte ja Anfang des Jahres acht Wochen lang den „Nachfolger von Uri Geller“, und das ist schon im Ansatz ein Mysterium: Gesucht wird also jemand, der nicht nur ungeschickt genug ist, versehentlich einen seiner Tricks zu verraten, sondern sogar so ungeschickt, hinterher mit allen Mitteln zu versuchen, das Video davon aus dem Internet zu entfernen? Jemand, der aufmerksamkeitsgeil und gefährlich genug ist, sich nicht damit abzugeben, ein großer Illusionist zu sein, sondern zu behaupten, seine angeblichen Fähigkeiten von Außerirdischen bekommen zu haben? Jemand, der traurig genug ist, schon vor über dreißig Jahren in der „Tonight Show“ als Witzfigur überführt worden zu sein, als er nicht in der Lage war, seine Tricks vorzuführen, nachdem die Fernsehleute die zu manipulierenden Gegenstände selbst besorgt hatten? Jemand, der verzweifelt genug ist, sich bei der britischen Fernsehaufsicht über eine Sendung zu beschweren, die das esoterische Brimborium Gellers von Wissenschaftlern entzaubern ließ, und einen Kritiker zu verklagen, der behauptete, einen der Geller-Tricks vor Jahren auf der Rückseite einer Cornflakes-Packung gelesen zu haben? Jemand, der dreist genug ist, sich im Fall einer verschwundenen Frau als Helfer engagieren zu lassen und vorherzusagen, dass sie noch lebt und bald wieder auftauchen wird (sie ist nie wieder aufgetaucht und war zu diesem Zeitpunkt wohl längst tot)? Jemand, der größenwahnsinnig genug ist, zu behaupten, das Ende des Kalten Krieges dadurch mit herbeigeführt zu haben, dass er Michail Gorbatschow mit „friedvollen Gedanken“ bombardierte? Jemand, der so viel Pech bei seinen sportlichen Vorhersagen und behaupteten Einflussnahmen auf Ergebnisse hat, dass man, wenn man schon an übersinnliche Kräfte glauben wollte, von einem „Fluch des Uri Geller“ ausgehen muss, weil Sportler, denen er Siege vorhersagt, regelmäßig verlieren? Jemand, der dumm genug ist, bei der britischen Dschungelshow mitzumachen, langweilig genug, als Erster herausgewählt zu werden, und weltfremd genug, hinterher zu sagen, er sei der einzige „international Prominente“ unter all den B- und C-Promis gewesen?

Im israelischen Original zeigte eine Kamera versehentlich, wie sich Geller offenbar einen Magneten an den Finger klebt, um einen Kompass wie von Zauberhand zu bewegen. Dass Pro Sieben das Format trotzdem gekauft hat, von „übersinnlichen, übernatürlichen, unerklärlichen“ Phänomenen faselt, die zehn Kandidaten als „Auserwählte“ bezeichnet und diesen ekligen Hochstapler hofiert: Das ist das einzige unerklärliche Phänomen des Uri Geller.

Ich hätte da auch mal eine Frage ans Jenseits: Stimmt es, dass Programmverantwortliche, die ihre Zuschauer hinters Licht führen, nach ihrem Ableben für alle Zeiten dazu verdammt sind, sich das anzusehen, was sie in ihren irdischen Tagen fabriziert haben? Immer und immer wieder in der Wiederholung?

Also ist „The Next Uri Geller“ zu einer Parade des Mystischen aufgebauscht, in der mit vollem Ernst behauptet wird, dass Menschen Kontakt mit dem Jenseits aufnehmen können, Gedanken übertragen oder Zukünftiges vorhersehen. Deutschland sucht den Superfreak.

Zugegebenermaßen hat Pro Sieben das nicht dumm angestellt: Zum Auftakt saßen Schauspieler Jürgen Vogel, Moderatorin Sonya Kraus und „Germany's Next Topmodel“-Teilnehmerin Anni als Zeugen im Studio und mussten gleichzeitig als Assistenten für die Kandidaten herhalten.

Einer stellte eine „telepathische Verbindung“ zwischen Vogel und Kraus her, einer beantwortete Fragen ans Jenseits, die die Promis zuvor auf Zettel geschrieben hatten, welche danach sofort verbrannt wurden, und eine Dame, die von sich behauptete, sie könne Geister sehen, durfte mit verbundenen Augen Gegenstände erkennen, die ihr Kompagnon dem Publikum aus der Tasche zog. Was soll man sagen: Ja, es hat alles geklappt, und das meiste war sogar recht unterhaltsam.

Nur die Inszenierung, die sich der Sender dazu ausgedacht hatte, die war unerträglich: die künstlich-düstere Studioatmosphäre, das aufgedrehte Übersinnlichkeitsgeplapper, die ständigen Nahaufnahmen von Protagonisten und verblüfften Versuchsteilnehmern.

Als ein dunkel gekleideter Herr namens Vincent Raven mit seinem Raben die Jenseits-Frage von „Topmodel“-Kandidatin Anni richtig wiedergab, die auf dem Zettel nach ihrem verstorbenen Vater gefragt hatte, war diese sichtlich erschüttert und ließ die Tränen kullern, was die Kamera dazu veranlasste, so nah an sie heranzufahren, dass es einen als Zuschauer förmlich ins Sofa drückte, um Abstand zu schaffen. So mit den Gefühlen der Protagonisten zu spielen, das ist eklig.

Einen ganz und gar traurigen Auftritt lieferte ausgerechnet der Meister höchstpersönlich ab. Uri Geller als alter Mann mit einem Klemmbrett auf dem Schoß, der in einem Raumschiff-Enterprise-Sessel sitzt, so tut, als würde er Bewertungen notieren und hinterher zu den Kandidaten sagt: „Dich umgibt eine Aura des Geheimnisvollen“ - ein trauriger Anblick.

Einmal durfte Geller selbst ran: Löffel hatten die Zuschauer holen sollen, auf den Fernseher legen, und davor eine kaputte Uhr oder ein Haushaltsgerät. Mit einem kurzen Energieschub wollte Geller sie wieder zum Funktionieren bringen. Pro Sieben hatte eigens eine kleine Telefonzentrale eingerichtet, in der Damen die Anrufe verblüffter Zuschauer entgegennehmen sollten, was ein bisschen so aussah wie bei „Aktenzeichen XY“, wenn Eduard Zimmermann die Kollegen in München und Wien nach eingegangenen Zuschauerhinweisen fragte.

Der Zimmermann von Pro Sieben war N24-Reporterin Verena Wriedt, die regelmäßig berichtete, welch unfassbare Phänomene sich in deutschen Fernsehhaushalten zugetragen hatten: Der kaputte DVD-Recorder liest wieder DVDs! Der USB-Stick, der noch nie funktionierte, tut endlich seinen Dienst! Und der defekte Wasserkocher, den eine Zuschauerin auf den Fernseher gestellt hatte, brüht endlich wieder Tee auf!

Am Vortag war Geller nicht ganz so erfolgreich gewesen: Als Gast bei „TV total“ sollte er seine neue Show bewerben, ließ sich aber von Moderator Stefan Raab nach allen Regeln der Kunst vorführen. Raab zerbrach selbst präparierte Löffel, nachher scheiterte Geller auch bei dem Versuch, eine einfache Zeichnung, die Raab vor der Sendung auf einen Zettel gemalt hatte, zu erraten. Wenn er unter Druck gesetzt werde, funktioniere seine Kunst manchmal nicht, musste sich der „Weltstar“ entschuldigen. Raab grinste bloß breit.

Pro Sieben mag sich alle Mühe gegeben haben, den Hokuspokus trotzdem seriös wirken zu lassen: „Hier wird nichts geschnitten, hier ist nichts aufgezeichnet“, versicherte Moderator Stefan Gödde am Dienstagabend seinem Publikum. Doch fernab der Jubelanrufe, die es nachher in die Sendung schafften, diskutierten die Nutzer des Pro-Sieben-Forums im Internet schon während der Liveshow die vermeintlichen Kunststücke der „Auserwählten“ und beschwerten sich bitterlich, für dumm verkauft zu werden. Mag ja sein, dass es dem Fernsehen an Magie fehlt. Aber ob das dieselbe ist, die Pro Sieben gerade zu demonstrieren versucht, darf doch stark bezweifelt werden.

Aber die Zuschauer wollen für Dumm verkauft werden und nicht nachdenken müssen:

-siehe Dschungelcamp
-siehe Big Brother
-siehe Germanys Next Topmodel
-und und und.....

Wer dies alles gelesen hat, wird nun belohnt: mit einem Video:

 

http://www.myvideo.de/watch/3191884/The_real_Uri_Geller

Kommentar schreiben

Kommentare: 0