-Eine Weihnachtssage-
In einer Rauhnacht unternahm ein Mann im Manhartgebirge einen Losegang, um sein Schicksal zu erforschen. Was hierbei geschehen ist, erfuhr niemand von ihm, nur bemerkte man, daß cr immer
kränkelte. Als er aber endlich sehr krank wurde und sich dem Tode nahe fühlte, ließ er mehrere Nachbarn zu sich und eröffnete ihnen folgen- des: »In dar letzten Thomasnacht unternahm ich einen
Losegang. Ich ging außerhalb des Ortes, um mich nach dem nächsten Kreuzweg zu begeben. Auf dem Wege dahin hörte ich plötzlich Pferdegetrappel, als käme ein ganzer Zug dahergeritten. Wie erstaunte
ich aber, als ich ein einziges schneeweißes Pferd vor mir erblickte, welches das Getrappe verursachte. Ich blickte weder seitwärts noch rückwärts.
Obgleich mir das Pferd von allen Seiten so nahe kam, daß ich befürchten mußte, von ihm zertreten zu werden, so ließ ich mich doch nicht irre machen und ging meines Weges. Nach einigen Minuten
gelangte ich, von Angstschweiß triefend, am Kreuzweg an. Jedoch das Pferd wollte mir den Zutritt nicht gestatten. Es stellte sich mir in den Weg; ich schritt vorwärts und kam in den Mittelpunkt
der Kreuzung zweier Wege. Ich zeichnete mit geweihter Kreide einen Kreis auf den Boden, und in demselben Augenblick verschwand das Pferd mit noch gröberem Lärm, als es gekommen war. Nun begann
ich zu losen, indem ich einige Betformeln hersagte.
Nach einiger Zeit sah ich einen Leichenzug langsam einherschreiten, begleitet von Trauertönen, die sich allmählich in lustige Weisen umwandelten. Diese wurden von muntcrn Burschen gesungen,
welche zu einer vor meinen Augen abgehaltenen Hochzeit gingen. Dabei wurde geschmaust und getrunken, getanzt und gespielt. Aber auch dies begann allmählich zu verschwinden, und der lustige Reigen
ward zum sausenden Wirbelwind und die Tänzer löstren sich zu einem Morgennebel auf, daß mir ein kalter Schauer durch die Glieder fuhr."
Bald darauf starb der Mann und seine Frau heiratete einen jungen Burschen aus dem Dorfe!
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