Die Frage nach dem Menschenbild war von dem Blickwinkel unserer Kultur aus einmal sehr einfach zu beantworten. Der Mensch war von Gott erschaffen. Gott wachte über den von Natur aus sündigen
Menschen. Über die unsterbliche Seele würde nach dem Tod gerichtet werden, entweder käme sie in den Himmel oder in die Hölle.
Dann aber begann der Mensch alles Wissenschaftlich zu untersuchen. Man ließ Steine von Türmen fallen, um festzustellen dass sie trotz unterschiedlicher Größe gleichzeitig ankamen. Man riss die
Sonne vom Firmament und ließ die Planeten um sie kreisen. Auch der menschliche Körper blieb nicht verschont. Man begann sich mehr und mehr für die Anatomie des Menschen zu interessieren und die
Zusammenhänge im menschlichen Körper zu verstehen. Man untersuchte den Sehmuskel und entdeckte das Trommelfell. So zerlegte man den Menschen in immer kleinere Teile und Gott wich der
Wissenschaft.
Heute ist der Mensch kein von Gott erschaffenes Wesen, sondern ein Produkt der Evolution, ein Säugetier aus der Ordnung der Primaten. Er gehört zur Unterordnung der Trockennasenaffen (Haplorhini)
und dort zur Familie der Menschenaffen (Hominidae). Man ist sich auch einer unsterblichen Seele nicht mehr so sicher. Die Ergebnisse der Neurobiologie, der Psychologie und der Theorie neuronaler
Netze lassen es mittlerweile mehr als plausibel erscheinen, dass selbst unsere höchsten Geistesgaben vergängliche Fähigkeiten eines vergänglichen Gehirns sind. Was also ist der Mensch?
Fest steht, dass um Aussagen über etwas treffen zu können ein Vergleich nötig ist. Um den Menschen zu charakterisieren muss man sich also erst einmal dem Tier widmen. Was unterscheidet den
Menschen vom Tier?
Die meisten Eigenschaften die wir bisher beim Menschen für Einzigartig hielten, wurden auch bei Tieren in weniger entwickelter Form festgestellt. Zum Beispiel erkennen auch Delphine ihr eigenes
Spiegelbild, woraus zu folgern ist, das sie eine Art Selbstbewusstsein haben.
Vielleicht ist unser auch Bewusstsein nicht Resultat höher stufiger Erkenntnis, sondern Folge der Anatomie großer schwerer Primaten. Einige Forscher sind der Auffassung das Selbstbewusstsein sei
eine Weiterentwicklung des Körperbewusstseins das größeren Affen geschickteres Klettern ermöglicht.
Eine weitere wichtige Eigenschaft des Menschen, die Neugierde, teilt er sich mit der Kuh.
Das entscheidende Merkmal des Menschen ist die Weiterentwicklung all der Fähigkeiten die er sich mit dem Tier teilt und ihre Verknüpfung zu komplexen Systemen. Unser Gehirn ist in der Lage die
schwierigsten Berechnungen innerhalb weniger Sekunden durchzuführen. So kann zum Beispiel ein Baseballspieler in der kurzen Zeit in der sich der Ball in Luft aufhält dessen Flugbahn berechnen und
ihn so optimal mit dem Schläger treffen. Das eigentlich erstaunliche ist allerdings, dass tausende vom Affen abstammende Bioformen sehr viel Zeit damit verbringen, besagtem Baseballspieler dabei
zuzuschauen, wie er besagten Ball versucht mit besagtem Schläger zu treffen, um im Fall eines gelungenen Versuches in euphorische Zustände des Jubelns zu verfallen. Der Mensch hat hiermit mal
wieder seine unwahrscheinlich große Geschicklichkeit beim Einbinden seiner Fähigkeiten (wie zum Beispiel das Treffen von Bällen mit Stöcken) in soziale Systeme gezeigt. Diese Systeme beruhen auf
der Intelligenz des Menschen und darauf, dass der Menschen sich vorstellen kann, was ein anderer Mensch gerade bei einer bestimmten Handlung fühlt und denkt. Zuständig für diese Fähigkeit sind
sogenannte Spiegelneuronen. Das sind Nervenzellen im Gehirn, die während der Betrachtung eines Vorgangs die gleichen Potenziale auslösen wie sie entstünden, wenn dieser Vorgang nicht nur (passiv)
betrachtet, sondern (aktiv) gestaltet würde. Greift ein Proband nach einem Apfel werden die gleichen Hirnströme gemessen, wie wenn er einen anderen Menschen bei dieser Handlung beobachtet. Er
stellt die Situation sozusagen in seinem Gehirn nach, um nachvollziehen zu können, warum der andere so handelt. Entdeckt wurden diese Neuronen bei Tierversuchen mit Affen.
Es bildeten sich unter den Menschen viele, manchmal sehr verschiedene, soziale Systeme mit eigenen Wertvorstellungen und Regeln des Zusammenlebens aus.
Die Individuen unseres westlichen sozialen Systems, unserer Gesellschaft, haben gelernt sich alle möglichst gleich zu verhalten und gleich zu denken. Sie versuchen alles in ihre Denkmodelle
einzuzwängen. Was sich nicht einzwängen lässt, und somit unkontrollierbar scheint macht ihnen automatisch Angst. Die affenähnlichen Wesen nehmen ihre Denkmodelle sehr ernst.
Dieselben Individuen haben auch gelernt sich mit sehr unwichtigen Dingen zu beschäftigen. Zum Beispiel damit, einem Artgenossen dabei zuzuschauen wie er einen Ball mit einem Holzstock trifft, mit
dem hin und herreichen kleiner bedruckter Scheine, denen sie einen sehr großen Wert beimessen, oder mit dem zulegen einer wärmenden Fettschicht, die sie dank Fußbodenheizung nicht
benötigen..
Das sind aber nicht die einzigen Beschäftigungen denen sich die Menschen mit großer Hingabe widmen. Eine weitere, und fast durchweg sehr schöne, ist die Kunst. Die Kunst ist Ausdruck für den
Gefühlsreichtum, den der Menschen zu empfinden imstande ist. Die wunderbarste Empfindung eines Menschen ist das Empfinden von Schönheit. Schönheit findet sich in dem staunenden Betrachten dieser
Welt ohne Moral auf sie anzuwenden. Es ist wirklich erstaunlich wie sehr die Menschen es geschafft haben, das unglaubliche Wunder der Existenz dieser Welt zu ignorieren. Die Kunst ist der nicht
fruchtlose aber dennoch klägliche Versuch diese atemberaubende Schönheit einzufangen und begreiflich zu machen. Der Wahrscheinlichkeit nach grenzt diese Welt ans Unmögliche, noch unbegreiflicher
ist, dass sie Leben hervorgebracht hat. Alles was seit dem Urknall existiert, hat ein Bewusstsein erlangt und bestaunt sich selbst. Wir, die Menschheit sind das lebendige Auge des unendlichen
Universums. Das ist, was uns Einzigartig macht. Wir sehen in unsere Vergangenheit zurück, wir suchen den Anfang, wir bestaunen den Urknall und die Entwicklungsreise, die die Zuschauerbänke noch
immer nicht vollständig füllte. Und wir finden, was wir sehen WUNDERSCHÖN.
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